Accademia Vergani

Reisebericht Umbrien - Leuchtende Sterne im italienischen Herzland

Die Südtoskana wie im Bilderbuch: wie von Künstlerhand geschwungene Hügel, zypressengesäumte Einfahrten zu stolzen Palazzi, Weinberge und Olivenhaine, hin und wieder ein trutziges mittelalterliches Dorf. Wohltuende ruhe liegt über der sanften Landschaft. Eine Flugstunde von Zürich entfernt ist die Unaufgeregtheit, das Aufregende.

 

Auf einer weit herum sichtbaren Hügelkuppe thront das mittelalterlich geprägte Städtchen Montepulciano. Dort lässt sich in der Kellerei Talosa unweit des schmucken Hauptplatzes der legendäre «Wein der Adeligen» probieren. Vino Nobile erhält man auch in der typisch italienischen Vinothek an der Piazza San Francesco d’Assisi. Der Name der Weinbar ist pure Poesie: «E lucevan le stelle» (es leuchten die Sterne). Seien Sie also nicht erstaunt, wenn in einem Lokal mit einem solchen Namen romantische Gedanken aufkommen. Sollten Sie sich in diesem Ambiente gar spontan zu einem Heiratsantrag hinreissen lassen, können Sie gleich unterhalb der Stadt die beliebte Heiratskirche San Biagio aufsuchen. Und weil Liebe auch durch den Magen geht, sei ein Besuch im Ristorante «La Grotta» gleich neben der heiligen Stätte empfohlen. Dort kann man sich die Sache mit dem Jawort übrigens bei einem Gläschen Vino Nobile noch einmal in Ruhe überlegen ...

Weiter östlich liegt die uralte Kulturstadt Cortona, eine ehemalige Hauptstadt der etruskischen Hochkultur. Heute ist sie für die DOC Syrah Weine berühmt. Und als Kulisse im Film «Under the Tuscan Sun». Geniesser geben sich unter den Arkaden des Café «Teatro Signorelli» einem italienischen Aperitif hin. Das Gebäude birgt im Innern einen der schönsten altehrwürdigen Theatersäle Italiens. Einen Steinwurf entfernt lockt die Trattoria «Dardano» mit vorzüglicher heimischer Kochkunst. Wer keinen Tisch reserviert hat, kann vorerst auf einem alten Stuhl im «open air»-Wartsaal auf dem Gehsteig vor der Trattoria Platz nehmen.

 

 

Kulturelle und spirituelle Hauptattraktion Umbriens ist zweifellos die einzigartige Stadt Assisi. Ende des 12. Jahrhunderts lebten und wirkten hier zwei junge Leute, die Weltgeschichte schrieben: Franz und Klara von Assisi. Die beiden Heiligen werden bis heute hoch verehrt. Rund um den Globus folgen Franziskanermönche und Klarissinnen dem asketischen Lebensstil dieser Mystiker. Selbst im umbrischen Weinbau haben sie Spuren hinterlassen: Mönche kultivierten in Montefalco bei Assisi jahrhundertelang die Rebsorte Sagrantino, was übersetzt «heiliger Wein» bedeutet. Marco Caprai, der legendäre umbrische Weinbaukönig, ist stolz auf das reiche historische Erbe seiner Heimat: «Bei uns in Montefalco blickt jeder Ziegelstein auf eine lange Geschichte zurück.» Mit einem Anflug von Ehrfurcht führt er uns in die denkmalgeschützte Kirche San Fortunato, wo die weltberühmten Fresken des Malers Benozzo Gozzoli bestaunt werden können.Kulissenwechsel: Im benachbarten Bevagna zeigt uns Marco Caprai die Traditionsmetzgerei «Tagliavento», was so viel bedeutet wie «die Luft zerschneiden». Besitzerin Rosita, eine ebenso energische wie originelle Frau, erklärt uns den sonderbaren Namen ihres Geschäfts: «Mein Grossvater hackte so schnell Fleisch, dass er auch gleich noch die Luft durchschnitt!» Sie reicht uns herrlich duftende Würste und reife Salami. Ich gestehe, dass auch ich als Teilzeit-Vegetarier hin und weg war.

 

 

Wenige Schritte entfernt zeigt uns Caprai seinen Geheimtipp: das Weinlokal «Bottega di Assu». Die Dekoration besteht aus einem einzigartigen Mischmasch von Büchern, Fotos und Kunst. Die grossformatige Speisekarte erinnert an eine mittelalterliche Pergamentrolle. Assunta schenkt charmant vorzügliche Weine aus der Umgebung aus. Im Hintergrund läuft Italo-Jazz, und wenn man Glück hat, verteilt Caprais beleibter Küchenchef Salvatore in der winzigen Weinbar gerade mal wieder frische Rosen aus seinem Garten. Dazu stimmt er mit sonorer Stimme in den Gesang von Paolo Conte ein. Wahrlich, Umbrien muss das Herz Italiens sein. Italienischer geht’s nimmer!

Bild: Flavia Vergani | Text: Damian Zingg

 

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